Gedanken einer Fernwehgeplagten
Manchmal frage ich mich selbst was mich antreibt immer wieder auf Reisen zu gehen und warum ich eigentlich immer Fernweh habe. Für mich ist ein Urlaub nicht nur reine Erholung von der Arbeit oder vom stressigen Alltag. Ich habe eigentlich immer Fernweh, möchte die Welt sehen, neue Kulturen kennen lernen, die Natur bestaunen und fremde Menschen treffen. Meistens zieht es mich in die Ferne, aber natürlich gibt es auch in Europa immer wieder Orte, die ich unbedingt noch entdecken möchte.
Mit dem Atlas am Küchentisch
Jedes mal wenn ich meinem Umfeld erzähle, dass ich auf Reisen gehe, sind sie entweder gespannt welches Ziel ich mir nun wieder herausgesucht habe oder rollen mit den Augen weil ich mal wieder die Koffer packe und unterwegs bin. Zugegeben ich habe das Glück dass ich in der glücklichen Lage bin mir eine Fernreise im Jahr leisten zu können und vielleicht noch ein bis zwei weitere kleinere Auszeiten in der Nähe. Aber dafür spare ich natürlich auch bei anderen Dingen. Meine Priorität liegt mehr auf dem Reisen als auf dem neuesten Fernseher. Solange ich gesund bin und die Möglichkeit habe die Welt zu sehen, möchte ich das auch ausnutzen. Ich werde manchmal gefragt warum ich schon wieder wegfahren will oder warum ich so weit weg fahren möchte. Nicht alle in meinem Umfeld können das nachvollziehen. Genau weiß ich es ehrlich gesagt auch nicht.
Meine Mutter hat mal die These aufgestellt, dass das Fernweh irgendwie in der Familie läge. Eine ihrer Tanten hatte schon in den 50er Jahren immer mit einem Atlas in der Küche gesessen und darin geblättert und sich die Welt angesehen. Auch sie hatte Fernweh gehabt, konnte sich aber keine Reisen leisten und die Welt außerhalb Deutschlands war für sie unerreichbar. Dieser Gedanke gefällt mir und ich habe immer das Bild vor Augen wenn ich auf der Suche nach einem neuen Urlaubsziel bin.
Die These nicht so ganz falsch zu sein, denn immerhin bin ich heute eine Geographin und die haben ja bekanntlich auch eine Leidenschaft für Karten und Atlanten. Ansonsten scheint der Rest meiner Familie dieses Gen nicht zu haben. Der ein oder andere träumt zwar von einer Stadt oder einer Region, wo er noch hin möchte, aber setzt es meistens doch nicht in die Tat um.
Horizonterweiterung
Reisen bildet. Das ist ein Sprichtwort, dass ich genauso unterschreiben kann. Es erweitert den Horizont und es rückt manche Dinge, die man im Alltag mit sich rumschleppt, an eine andere Stelle. Als ich während meines Studiums in Namibia war, lernte ich wie kostbar Wasser sein kann und war überrascht, dass man sich über Regen freute. Für Menschen, die in einem anderen Klima leben, wo es nur selten regnet, ist die Bedeutung von Wasser viel höher weil sie es nicht ausreichend haben.
Wenn man die Armut der Menschen in Kenia sieht, die außerhalb der luxuriösen Hotelanlagen ums Überleben kämpfen und in den Mülleimern wühlen müssen, wird man sich bewußt in welcher priviligierten Lage man selber ist. Da rücken die eigenen Probleme etwas in den Hintergrund und man stellt fest, dass es vielleicht gar kein Problem ist. Durch die unterschiedichen Lebensweisen und Perspektiven, die man auf Reisen kennen lernt, ist man meiner Meinung nach auch offener mit seinem Umfeld und sich selbst. Eine Freundin fasste dieses Phänomen neulich mit den Worten zusammen: „Nur wer tolerant gegenüber anderen ist, der kann auch erwarten dass ihm Toleranz entgegen gebracht wird.“
Ich erinnere mich da an einige Gespräche, die ich mal mit jemandem geführt habe, der bis auf eine Klassenfahrt in der Schule nie wirklich gereist ist. Für ihn war es einfach nicht wichtig und er hatte daran kein Interesse. Bei einigen gesellschaftlichen Themen habe ich dann festgestellt, dass seine Sichtweise in mancherlei Hinsicht doch recht eingeschränkt war.
Ich verurteile das nicht, jeder soll sein Leben so leben wie er es möchte. Und wer lieber in seinem gewohnten Umfeld bleibt und nicht daran interessiert ist, der soll das auch tun. Ich habe nur für mich festgestellt, dass mir meine Reisen immer einen offeren Blick auf Menschen und die Gesellschaft verschafft haben und ich in vielen Themen relativ tolerant geworden bin.
Wenn einer eine Reise tut…
…dann kann er was erzählen. Wer viel unterwegs ist, erlebt auch viel. Was wären Familientreffen oder Abende mit Freunden ohne die zahlreichen Geschichten aus dem Urlaub? Oft sind es abendfüllende Erlebnisse über seltsame Hotelgäste, skurille Essensgewohnheiten oder auch abenteuerliche Busfahrten, die mir im Gedächtnis bleiben. Egal ob es nur um den nur allzu bekannten Streit um die besten Plätze am Strand geht, Ungeziefer im Zimmer oder darum, ob man Bloody Mary auf einem Frühstücksbuffet braucht, jeder der mal im Urlaub war kann unterhaltsame Geschichten erzählen.
Dafür muss es ja nicht immer eine Fernreise sein. Ich möchte diese Erlebnisse nicht missen, denn oftmals sind es genau diese, die am Ende eine Reise ausmachen. Allzu oft lernt man ja auch aus diesen Erfahrungen. Ich werde zum Beispiel bei meiner nächsten Asienreise immer vorher fragen, ob ich mit Kreditkarte zahlen kann. Nicht dass ich wieder in die Situation komme in einem einsamen Bergdorf nicht genug Bargeld dabei zu haben und mich von einem Taxifahrer zum nächsten Automaten bringen lassen zu müssen.
Die Natur schätzen lernen
Seitdem ich gesehen habe, was Plastikmüll in den Meeren, an Stränden oder überall anders anrichtet, achte ich zum Beispiel selber auch darauf weniger Plastik zu verwenden oder den Kaffeebecher zum Mitnehmen durch einen aus Bambus zu ersetzen. Die Natur ist die Basis von Tourismus, niemand legt sich gerne an einen vermüllten Strand oder wandert durch verdreckte Gebirge. Darum bin ich mittlerweile einfach etwas auf solche Themen sensibilisiert und benutze ein Handtuch im Hotel auch mal einen Tag länger wenn es nicht wirklich dreckig ist.
Gott sei Dank gibt es auch mittlerweile in vielen Hotelzimmern Hinweise für die Gäste, die z.B. auf Wassersparen hinweisen. Wir haben nur diese eine Erde, wir sollten sie nicht durch unser rücksichtsloses Verhalten so verändern, dass wir viele Ort bald nicht mehr besuchen können.
Fluchtreflex
Viele behaupten ja auch man reist, um dem Leben davon zu laufen. Reisen wäre demnach eine Flucht vor den Problemen zuhause. Gerade wenn jemand länger unterwegs ist, wird das als Weglaufen verurteilt oder es hieße, dass man sich zuhause nicht wohlfühlt. Ich sehe das anders. Ich bin gerne unterwegs, komme aber auch gerne nach Hause und schätze mein eigenes Reich mit meinem eigenen Bett sehr. Aber ich würde behauten, dass ich reise, damit mir das Leben nicht davon läuft. Es gibt so viel auf der Welt zu entdecken, dass es für mich zu schade ist, dieses nicht zu tun. Wir haben heute die Möglichkeit in nahezu alle Regionen der Welt zu fliegen, warum sollten wir das nicht nutzen?
Das Internet verbindet die ganze Welt auf digitale Weise, das Reisen ermöglicht einen direkten, persönlichen Austausch. Für mich ist dieser durch nichts zu ersetzen. Natürlich lebt man während seines Urlaubs in einer eigenen Welt. Das ist ja gerade das, was es ausmacht. Wir wollen vom Alltag abschalten und nicht daran denken wieviele E-mails zuhause im Büro auf uns warten oder welche unangenehmen Gespräche vielleicht noch zuhause zu führen sind. Im Urlaub wollen wir einer Blase leben, wo am besten alles perfekt ist. Vielleicht bezeichnet man es daher gelegentlich als Flucht. Und wenn man dann wiederkommt, holt einen der Alltag schneller ein als uns lieb ist.
Aber ich schöpfe immer viel Kraft aus meinen Reisen und nutze diese für meine Aufgaben zuhause. Solange ich die Möglichkeit habe mir die Welt anzusehen, möchte ich das auch tun. Das Leben ist doch mehr als nur Arbeiten und Alltagsroutine. Leben heißt auch das zu tun wonach einem ist und bei mir ist das eben die Neugier auf die Welt.
Letztendlich kann ich auch nicht genau sagen warum ich chronisches Fernweh habe. Ich bin einfach neugierig was es alles zu entdecken gibt, es bereichert mein Leben und ich lerne immer wieder Neues dazu. Das Reisen verändert mich und meine Sicht auf die Dinge und macht mich zu einem besseren Menschen.
Besser hätte ich es nicht schreiben können 👍👍👍
Danke dir, das ist lieb😁