Wald, Luft und Stille – ein einzigartiges Naturerlebnis
Die ganze Zeit, die ich nun schon durch diesen Wald wandere, frage ich mich was es genau ist, dass mich gerade so in seinen Bann zieht. Seit rund einer halben Stunde habe ich den Ortsrand von Jokkmokk verlassen und bin vom Kiesweg in den Wald abgebogen. Irgendetwas bringt mich dazu immer wieder stehen zu bleiben und inne zu halten. Mich umzusehen und alles wirken zu lassen. Eine besondere Stimmung herrscht hier und ich ahne, dass dieser Tag zu einem der besten dieser Reise werden wird.
Ich bin in Lappland, im hohen Norden Schwedens und gestern habe ich den Polarkreis hinter mir gelassen. Für einen Ort so weit im Norden ist das Wetter erstaunlich warm und sonnig und daher stand schnell fest, dass ich den Tag für eine Wanderung durch den Wald nutzen werde. Wandern in den unendlichen Weiten Lapplands, das wollte ich schon lange. Und nun stehe ich hier und kann es tatsächlich erleben. Seitdem es immer weiter in den Norden Schwedens ging, klebte ich fasziniert am Fenster und bestaunte die sich verändernde Landschaft. Einsam und karg. Unzählige Bäume, wilde Flüsse und spiegelglatte Seen bilden eine wilde, unendliche Landschaft.
Und heute tauche ich auch in diese Landschaft ein und genieße jeden Schritt dieser Wanderung. Fast alle meine Sinne werden hier angesprochen als ich weiter dem Weg folge und immer mehr ein kleiner Teil der Landschaft werde.
Wald
Natürlich, ein Wald ist auch hier oben „nur“ ein Wald, aber es ist anders. Gut, auf die kleinen fiesen und hartnäckigen Mücken, die mich seit einer Weile begleiten und eine freie Stelle zum Beißen suchen, könnte ich gut verzichten. Da lohnt sich wenigstens der übermäßige Gebrauch des Anti-Mücken Sprays am Morgen und die langen Ärmel. Aber abgesehen von den kleinen Biestern unterscheidet sich noch mehr von einem Wald zuhause. Die Laubbäume sind hier oben den Kiefern gewichen und in den deutschen Mittelgebirgen gibt es auch keine Markierungen für Schneescooter. Dort, wo diese Ungetümer im Winter ihre Bahnen ziehen, hat sich im Sommer ein sattes Grün ausgebreitet. Graue Flechten haben Stämme und Steine erobert und Heidel- und Preiselbeersträucher bieten üppig ihre Früchte zum Naschen an. Immer weiter laufe ich durch diesen Wald in Lappland und finde bis auf wenige Ausnahmen kaum Anzeichen von menschlichen Einflüssen. Hier wird die Natur überwiegend sich selbst überlassen. Es ist schwer zu beschreiben, aber der Wald verströmt hier eine ganz besondere Atmosphäre.
Luft
Wahrscheinlich fällt es mir nur deswegen auf, weil die Luft anders ist, durch die ich laufe. So wie die frische Seeluft am Meer, hat auch Lappland eine ganz eigene, besondere Luft. Es riecht anders. Hier oben ist die Luft ganz klar und sauber, dass ich es nicht leid werden kann, tief ein- und auszuatmen und diese frische Luft einzusaugen. Ich will diesen Teil Lapplands festhalten und mit nach Hause nehmen.
Weil hier viel weniger Menschen leben und die Natur hier vielerorts noch Natur sein darf, ist die Luft ganz klar. So weit oben ist das Leben viel schwerer als in unseren Breiten. Polarsommer, harte Winter. Extreme, die in Lappland aufeinandertreffen, schrecken viele Menschen ab hier zu wohnen. Und die Natur dankt uns diese Unberührtheit damit, dass sie sich von der besonders schönen Seite zeigt. Es riecht frisch und klar, nach Harz und Kiefernnadeln. Kaum eine Spur von menschlicher Verschmutzung.
Stille
Aus dem Kiesweg wurde ein Waldweg und während mich die Wegmarkierung den Berg hinauf leitet und ich über umgefallene Baumstämme und zwischen Findlingen hindurch klettere, bleibe ich wieder stehen. Vorsichtig halte ich Ausschau, ob ich nicht doch einen Elch oder das ein oder andere Rentier entdecke. Ich schweige vom mich hin, denn verjagen möchte ich keines dieser einheimischen Waldbewohner. Aber leider lassen sie sich nicht blicken. Als ich suchend durch den Wald schaue, fällt es mir endlich auf. Nichts. Ich höre einfach nichts. Die Stille, die hier oben herrscht, ist fast unheimlich. Nur der Wald selbst gibt Laute von sich. Das plätschernde Wasser des Baches, der zum See fließt, das Knarzen der Bäume und der ein oder andere Vogel. Aber darüber hinaus – nichts. Keine Zeichen von Zivilisation, keine Autos, Flugzeuge oder Fabriken. Es ist ganz ungewohnt für uns, die wir in einer Welt voller Reizüberflutungen und Dauerbeschallung leben. Ich genieße es vollends. Atme noch ein mal tief die klare Luft ein und genieße die Stille.
Es ist wie eine kleine Miniauszeit von der Zivilisation. Ein Zurückziehen vom Alltag zurück zur Natur. Es trifft mich hier heftiger als erwartet, aber ich heiße dieses Auszeit sehr willkommen. Schöpfe Kraft aus dem, was ich hier erfahren darf. So wenig um mich herum passiert und doch bin ich voller Sinneseindrücke. Die Natürlichkeit und Einfachheit der Landschaft ist genau das, was ich hier oben gesucht habe. Nicht nur hier im Wald, auch während der Reise durch Lappland fühle ich mich ganz klein. Winzig angesichts der vorherrschenden Umgebung und der Natur.
Auf dem Rückweg kommen sie immer näher, die Zeichen, dass die Zivilisation zurückkehrt. Spuren von Straßen, Parkbuchen und Hinweisschildern. Aber bevor ich den Ortsrand von Jokkmokk wieder erreiche, werde ich noch einmal mit einem zauberhaften Ausblick auf einen kleinen See belohnt. So schlicht und zurückhaltend sich die Landschaft auf dieser Wanderung gezeigt hat, so still und idyllisch liegt nun auch der See vor mir. Er lässt mich noch einmal innehalten und den Moment genießen. Dankbar für dieses Stück Natur und dass ich in den letzten Stunden ein Teil davon sein durfte.
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2 Gedanken zu “Wandern in Lappland/Schweden”