Gedanken über Freiheit und was sie mit Reisen zu tun haben kann
Wir messen dem Reisen gerade sehr viel Bedeutung zu. Gerade jetzt, wo wir es nach so langer Zeit besonders stark vermissen und es langsam wieder losgeht, wirkt es geradeso als wäre das Reisen die Notlösung für alles. Wenn wir wieder reisen können, geht es uns wieder gut. Bekommen wir unsere Freiheiten zurück. Aber ist das auch so? Irgendwie schon ein bisschen, auch wenn ich finde dass dem vielleicht ein bisschen viel Bedeutung beigemessen wird.
Was wir vermissen
Ich habe in dieser Zeit festgestellt, dass es mir nicht so schwer fällt mal auf einen Barbesuch oder auf ein sommerliches Fest in der Stadt zu verzichten als auf das Reisen. Das vermisse ich wirklich am Meisten. Aber warum ist das eigentlich so? Warum fällt so vielen Leuten der Urlaub mit als Erstes ein wenn sie gefragt werden was sie nach der Pandemie als erstes machen? In meinem Blogpost „Warum wir das Reisen so vermissen“ habe ich mir schon einmal Gedanken darüber gemacht was genau das Reisen ausmacht und warum es uns fehlt. Dabei ist mir immer wieder der Gedanke „frei sein“ in den Sinn gekommen. Denn für mich bedeutet Reisen immer auch frei zu sein. Nicht umsonst haben die Menschen in Deutschland nach der Wende auch die Reisefreiheit ganz groß gefeiert, die sie mit der Wiedervereinigung zurückbekommen haben.
Selbstbestimmt
Ich muss mich auf Reisen nicht an die Zwänge und Restriktionen des Alltags hier halten. Und damit meine ich nicht, dass ich mich an einem überfüllten Strand auf Mallorca unkontrolliert betrinke. Wenn ich die Welt entdecke,vergesse ich die Sorgen und Gedanken, die mich hier gelegentlich erdrücken. All die Erwartungen, die an mich gestellt werden, weichen einer neuen Seite. Ich kann umblättern und das Papier ganz neu beschreiben. Mir andere und neue Gedanken machen. Kraft tanken und positiv durch die nächste Woche oder durch die nächsten 2 Wochen gehen. Natürlich ist das Reisen eine kleine Blase, in der idealerweise alles perfekt laufen soll. Aber tut es nicht gut ab und zu in diese Blase einzutauchen?
Es muss doch etwas dran sein dass in den letzten Jahren das ortsunabhängige Arbeiten und das digitale Nomadentum so beliebt geworden ist. Alle diese Menschen wollen auch frei sein. Sich nicht an einen Ort binden und immer wieder etwas neues Erleben. Wer kann es ihnen verdenken?Freiheit steht doch auf der Liste vieler Menschen ganz oben. Der eine erlangt sie vielleicht durch eine Selbständigkeit, der andere durch Geld. Ich fühle sie eben wenn ich unterwegs bin.
Frei vom Alltag
Obwohl wir uns glücklich schätzen können in unserer Weltordnung so gut wie alle Freiheiten zu haben, die es auf der Welt so gibt, müssen wir uns natürlich an Regeln halten und in die Schubladen passen, die in der Gesellschaft für uns vorgesehen sind. Sowohl in beruflichen als auch in privaten Dingen lastet ein großer Druck auf uns. Da suchen wir schnell abseits davon nach Ventilen, uns davon zu befreien. Da fällt mir der Begriff „Vanlife“ ein. Plötzlich ist es wieder furchtbar hip mit einem Bulli unabhängig durch die Welt zu reisen und die Freiheit zu haben dort anzuhalten, wo es einem gefällt. Das was bis vor ein paar Jahren noch Rentnern und Hippies zuzuordnen war, ist nun wieder ganz groß in Mode. Und das muss daran liegen, dass es eben beim Vanlife um Freiheit geht, selbst zu bestimmen.
Die Pandemie hat sie eingeschränkt, darum lernen wir Freiheit wieder umso mehr zu schätzen. Wir sehnen uns danach wieder selbstbestimmter zu sein. Sicherlich gibt es viele Wege dieses zu erreichen. Aber beim Reisen bekommst du Abstand von dem, was dich fremdbestimmt und hast Zeit dir darüber bewusst zu werden was gut für dich ist. Zumindest ist das die Hoffnung, die wir manchmal haben und die Erwartung, die wir an eine Reise gelegentlich stellen. Und wenn es einfach nur das 2-wöchige Nichtstun auf der Poolliege ist.
Sich “frei reisen“
Auch wenn ich nicht mit einem Bulli unterwegs bin, für mich bedeutet das Reisen definitiv eine Auszeit vom Alltag und dann natürlich ganz viel Freiheit. Jeden Tag neu entscheiden wo es hin geht oder wo ich anhalte. Einfach mal in das kleine Café setzen, das da am Strand auftaucht und stundenlang aufs Meer schauen, ohne dass ich noch irgendwo erwartet werde. Die unendliche Weite der Natur spüren und sich einfach als ganz kleiner Teil davon fühlen. Oder einfach etwas tun, was du zuhause nicht tun würdest weil es eben nicht der Norm entspricht. Ich habe mich selten so frei gefühlt wie auf meiner Reise durch Vietnam. Ich hatte nur das Nötigste in meinem Rucksack und war ganz alleine unterwegs. Ich habe gemerkt wie wenig ich überhaupt nur brauche. Und ich konnte selbst über alles entscheiden. Vieles habe ich getan, wovon ich vorher nie gedacht hätte, dass ich es tue. Dass ich überhaupt alleine mit dem Rucksack 4 Wochen durch Asien gezogen bin, war schon ein riesiger Schritt für mich.
Sich „frei zu reisen“ gibt es schon lange und auf viele Arten. Diejenigen, die sich auf eine Pilgerreise machen, suchen unterwegs eine Erleuchtung oder eine Art Erlösung. Eine Auszeit nehmen und um die Welt reisen? Das tut man meiner Meinung nach auch nicht ohne Grund. Unterwegs möchtest du vielleicht etwas finden. Eine Neuorientierung oder dich selbst. Du willst frei sein, Neues erleben und unterwegs das Glück finden. Bei einem Urlaub, der eine oder zwei Wochen dauert, ist das vielleicht nicht so ausgeprägt. Da geht es mehr um eine Flucht vor dem Alltag und eine Auszeit. Aber auch wenn er dann nicht der Selbstfindung dient, möchten wir doch ein wenig Freiheit spüren weil wir selber entscheiden was wir tun.
Tun was uns gut tut
Ich sage immer „wenn ich unterwegs bin geht es mir immer gut“. Und fast immer stimmt das auch. Von der Innenohrentzündung in Asien vielleicht einmal abgesehen. Die Freiheit, die wir unterwegs spüren, stärkt nicht nur den Geist, sondern auch den Körper. Wir entspannen und können die Themen vergessen, die uns zuhause belasten. Dieses Gefühl haben wir im Alltag nur selten, weil er uns viel zu schnell wieder einholt. Das zu tun, wonach einem gerade ist, und wenn es auch mal das Nichtstun ist, ist das Stück Freiheit, welches wir mit dem Reisen verbinden. Damit fühlen wir uns wohl und so manches Wehwehchen verschwindet dann schon einmal.
Ich denke erst die längere Distanz zu etwas macht es uns möglich uns frei zu fühlen. Und auch schon der Gedanke daran nun wieder auf Reisen zu sein. Etwas, das wir über ein Jahr lang vermisst haben, ist nun wieder möglich. Da kann man ja nur hoffen, dass der Urlaub auch all diese Erwartungen erfüllen kann, die wir nun an ihn stellen.
Mehr Gedanken über mein Fernweh findest du auch hier.
Ein Gedanke zu “Warum Reisen auch “frei sein” bedeutet”