Von Altbauten, Leipzigern und Stadtgeschichten
„Wo kommen Sie her“’? „Aus Frankfurt.“ „Ah, aus Frankfurt am Main“. „Schön dass Sie den Weg nach Leipzig gefunden haben. Willkommen in der schönsten Stadt Deutschlands.“ Sagt sie und ich denke was redet sie da? Wir sind zu einem Stadtrundgang in Leipzig verabredet und gerade sind die letzten Teilnehmer zur Gruppe gestoßen. An Selbstbewusstsein fehlt es der Stadtführerin nicht, so viel steht fest.
Der erste Eindruck
Wir sind gestern Abend im Dunkeln in Leipzig angekommen und haben von der Stadt bis auf das Hotel noch nicht viel gesehen. Schönste Stadt Deutschland? So ein Quatsch. Das will ich erst einmal sehen. Leipzig kenne ich nur von Erzählungen, es sei sehr schön und entgegen meiner sonst so üblichen Vorbereitung habe ich dieses Mal nur wenig recherchiert und habe noch nicht so viele Bilder im Kopf wenn ich an Leipzig denke. Ich will mich unvoreingenommen auf die Stadt einlassen und mir mein eigenes Bild machen.
Dass Leipzig aber sicherlich schön ist, konnte ich schon beim Blick aus meinem Hotelfenster sehen, denn wir schauen in Richtung Altes Rathaus und das kann sich schon einmal sehen lassen. Ich gebe unserem Guide Brigitte also einen Vertrauensvorsprung und denke „das kannst du mir jetzt erst einmal beweisen“.
Willkommen in der schönsten Stadt Deutschlands
Und so erzählt Brigitte Geschichten aus der Leipziger Vergangenheit. Sie spult nicht die klassischen Infos (Leipzig hat x Einwohner…) runter sondern erzählt von den Ideen der Kaufleute hier Messen abzuhalten und wie sie einfach mit den Kutschen durch die Höfe der Häuser fahren und von den studentischen Eskapaden Goethes, der aus dem „dreckigen“ und „pöbeligen“ Frankfurt (hört, hört) nach Leipzig kam. Ich muss zugeben, ich habe nicht die ganze Zeit über zugehört, denn immer wieder staune ich über die tollen Häuserfassaden, die liebevoll gestalteten Hinterhöfe. Ich liebe ja Altbau und hier gibt es genug davon. Die Häuser sind liebevoll restauriert und zwischendurch erwische ich mich wie ich mir vorstellen kann in so einem Haus zu wohnen.
Viele der Durchgangshöfe sind heute Einkaufspassagen mit hochwertigen Läden und Caféhäusern. Ach, denke ich, hier lässt es ich wohl aushalten. Menschen mit etwas mehr Lebenserfahrung als ich sitzen an den kleinen Tischen, lassen sich ein klassisches Stück Torte und einen Aperol Spritz schmecken. Sie genießen, beobachten das bunte Treiben und lassen das städtische Leben an ihnen vorbei ziehen. Ein wenig fühle ich mich nach Paris oder Mailand versetzt und wundere mich über das Flair, welches hier immer wieder herrscht.
Mit offenen Augen durch die Stadt
Wir laufen weiter durch die Stadt, vorbei an der geschichtsträchtigen Nikolaikirche und der Thomaskirche. Brigitte erzählt vom Komponisten Bach und seinem Kirchenchor und ich schaue mich immer wieder um und lasse Leipzig auf mich wirken. Immer wieder kommt der Vergleich mit Dresden. Im Sommer durfte ich die wunderbare Stadt an der Elbe besuchen und ich kann verstehen, dass Leipziger schnell mit den Augen rollen wenn es um den Vergleich mit Dresden geht. Aber je länger wir durch die Innenstadt gehen und ich die Geschichten von ehemaligen Bewohnern und Wahlleipzigern höre, desto mehr denke ich , dass sich Leipzig eigentlich gar nicht verstecken muss. Klar, hier gibt es nicht so viele berühmte – und auch weniger pompöse Bauten aber so langsam bekomme ich eine Idee warum Brigitte anfangs von der „schönsten Stadt Deutschlands“ sprach.
Leipzig muss nicht so protzen wie Dresden. Schnell sehe ich auch so, dass Schönheit und Reichtum hier anders definiert wurde. Gott sei Dank ist vieles nach dem Krieg erhalten geblieben, jetzt renoviert und nicht durch Plattenbauten ersetzt worden. So bekomme ich schnell einen Eindruck wie es hier früher ausgesehen hat. Viel Überzeugungsarbeit muss Brigitte nicht leisten, um uns ihre Heimatstadt ans Herz zu legen. Die Atmosphäre spricht für sich. O.K., natürlich hat jeder genug Lokalpatriotismus in sich, um seine Heimat als besonders schön zu verkaufen. Und natürlich hat Brigitte etwas übertrieben als sie von der „schönsten Stadt Deutschlands“ gesprochen hat. Aber schön ist Leipzig – ohne Zweifel. Ich würde sogar sagen sehr schön. Unerwartet sehr schön.