Mit Schwedens „Inlandsbanan“ eine der schönsten Zugstrecken erleben
Die unendliche Weite zieht an meinem Fenster vorbei. Bäume, mit Flechten bewachsene Felsen, spiegelglatte Seen. Die wenigen Wolken, die am Himmel manchmal auftauchen, spiegeln sich in faszinierender Ähnlichkeit auf der glatten Wasseroberfläche. Wieder tauchen knorrige Fichten und schlanke Birken auf. Die Landschaft ist karg und doch wunderschön unberührt.
Ich sitze in einem kleinen rot-weißen Zug in Schweden. Die „Inlandsbanan“ bringt uns bis zum Polarkreis. Sie fährt durch Schwedens Wildnis bis nach Lappland. Rund 1.300 km legt der kleine Zug zurück. Teilweise fernab jeglicher Zivilisation dürfen wir die schwedische Natur hautnah erleben. Eine faszinierende Reise mit tollen Ausblicken und unvergesslichen Momenten.


Die Inlandsbanan ist heute eine fast ausschließlich touristisch genutzte Bahnstrecke, die schon 1937 fertig gestellt wurde, um den wilden Norden Schwedens zu erschließen. Die meisten regulären Züge, die heute vom Süden in den Norden fahren, nehmen die Route über die Küste. Darum ist der kleine Wildniszug etwas ganz Besonderes. Die Strecke gilt als eine der schönsten Zugstrecken Europas und das kann ich definitiv unterschreiben. Wilde Natur, Flüsse, Seen, Wasserfälle, die weiten Ebenen Lapplands und unvergessliche Sonnenuntergänge könnt ihr während eurer Fahrt erleben. Und als eines der Highlights lockt die Überquerung des Polarkreises zur vor dem Ende der Strecke.
Diese Zugreise ist eine langsame Art zu reisen. Besonders schnell kommt ihr nicht voran, dafür habt ihr unterwegs Zeit ganz viele Eindrücke zu sammeln und Schweden kennen zu lernen. Und keine Sorge, die 1.300 km müsst ihr nicht in einem Rutsch fahren. Ihr könnt aussteigen wenn ihr möchtet und dann am nächsten Tag wieder weiterfahren. Aber dazu nun mehr.
Die Route
Die Bahn beginnt in Kristinehamn, ganz im Süden des Landes. Dieser Abschnitt wird meistens nur in der absoluten Hochsaison genutzt, viele Gäste starten in Mora oder Östersund. Ich bin in Mora gestartet, das von Stockholm aus bequem mit dem Zug zu erreichen ist. Die Bahn startet in Mora gegen Mittag und ist dann am Abend in Östersund. Hier gibt es eine Zwangspause, denn über Nacht bleibt die kleine Bahn dann dort stehen. Erst am frühen Morgen geht es dann weiter, bis zur Endstation Gällivare ganz im Norden Lapplands, wo sie dann abends gegen 10 Uhr ankommt. Unterwegs könnt ihr aussteigen und die Gegend entdecken. Der Zug fährt allerdings nur einmal am Tag.


Unterwegs könnt ihr aussteigen und die Gegend entdecken. Der Zug fährt allerdings nur einmal am Tag. Das bedeutet, dass ihr eure Reise auch erst am nächsten Tag um die gleiche Uhrzeit wieder fortsetzen könnt. Ich kann die Stopps definitiv empfehlen, denn wenn ihr die Natur die ganze Seite vom Fenster aus beobachtetet, wünscht ihr euch bestimmt sie auch einmal live zu erleben. Mir ging es definitiv so.Die Bahn fährt aktuell nur in den Sommermonaten. Bis vor ein paar Jahren konntet ihr auch im Winter bis nach Gällivare reisen, das ist nun nicht mehr möglich. In diesem Jahr war ende August Schluss. Und genau diese Woche hatten wir uns für unsere Reise ausgesucht.
Mora – Östersund
Wie bereist erwähnt sind wir in Mora das erste Mal in den kleinen Wildniszug eingestiegen. Ein kleiner roter Triebwagen soll bis nach Lappland fahren? Ja das tut er. Ich möchte gar nicht wissen wie oft der Zug schon unterschätzt wurde. Denn der kleine Triebwagen ist offenbar genau der richtige, sich über die schmalen Schienen mitten durch die Natur zu arbeiten.
Wir waren schon einen Tag zuvor in Mora angekommen. Der kleine Ort liegt idyllisch an einem See und es lohnt sich hier ein paar Stunden zu verbringen. Gegen Mittag dann beginnt unser Abenteuer Lappland. Die Bahn hält sowohl am zentralen Bahnhof als auch am kleinen Bahnhof „Mora Strand“, der nur ein paar Minuten Fußweg entfernt ist.



Das Tagesziel ist dann Östersund, wo es wie bereist erwähnt eine Zwangspause gibt. Unterwegs hält der Zug aber für Fotostopps und schwedische Fika mit Zimtschnecken an. An Bord ist auch immer eine Reiseleitung, die auf englisch und schwedisch über die Strecke, die Bahn und Schweden informiert. An sehenswerten Stopps, wie zum Beispiel dem Storstupet Wasserfall werden auch Fotostopps gemacht.




Rechts und links neben der Strecke dann Wälder. Fichten und Birken. Immer wieder ein paar rote Schwedenhäuser an einem See mitten im Nirgendwo. Schnell erlebt ihr das richtige Schwedenklischée hautnah. Die umliegenden Bäume sind so nah, dass sie fast bis an das Fenster reichen. So stelle ich mir einen Wildniszug vor.
Wir steigen in Östersund aus und bleiben zwei Nächte.
Östersund – Vilhelmina
Die Bahn lassen wir am nächsten Morgen ohne uns weiterfahren, denn wir schauen uns noch Östersund an. Unschlüssig, ob sich das lohnt, denn viel hatten wir im Vorfeld nicht über Östersund gefunden. Aber (natürlich) gibt es einen schönen See, viele Restaurants und Cafés und einen schönen Aussichtspunkt auf dem Hausberg Östberget. Vom Frösötornet aus gibt es einen tollen Blick über die ganze Region. Und für Biathlonfans steht noch das Skistadion auf dem Programm.
Am Tag darauf starten wir dann gegen 8 Uhr morgens wieder in Richtung Lappland. In Östersund steigen viele weitere Gäste zu, denn es ist nicht zwingend notwendig die gesamte Strecke zu fahren. Ihr könnt von überall aus starten, je nachdem wo in Schweden ihr euch gerade in der Nähe der Strecke befindet. Unser Tagesziel ist Vilhelmina. Ab Östersund merkt man schon wie die Landschaft sich langsam verändert und rauer wird. Weniger Zivilisation, mehr Natur und mehr Unberührtheit. Immer wieder erkennen wir aber die beliebte Straße E45, die durch Schweden bis zum Nordkap führt. Entsprechend viele Autos, Motorräder und Wohnwagen sind hier auch unterwegs. Die beeindruckende Wasserwelt von Strömsund zieht an uns vorbei und immer wieder zücke ich die Kamera und bin fasziniert von der imposanten Umgebung.






Vilhelmina erreichen wir am frühen Vormittag.
Hier lohnt sich ein Besuch der alten Kirchstadt (Kyrkstadt) mit den erhaltenen, bunten Holzhäusern. Ihr könnt Fahrräder ausleihen und die Seen erkunden oder eine schöne, kurze Wanderung im Baksjötjärn Park unternehmen. Der Weg führt viel über Holzstege rund um einen See und bietet tolle Fotomotive.
Mein Tipp: Eine Übernachtung direkt in den liebevoll restaurierten Kyrkstadt (STF Vilhelmina Kyrkstadten).
Vilhelmina – Polarkreis – Jokkmokk
Unser längster Teilabschnitt mit 8 Stunden Zugfahrt liegt vor uns. Wieder verändert sich die Landschaft und hier oben in Südlappland finde ich die wilde Natur immer schöner. Noch weniger Dörfer und immer wieder tolle Ausblicke. Diese Zugfahrt wird einfach nicht langweilig. Einfach stundenlang aus dem Fenster schauen und genießen ist das Motto. Und tatsächlich sehen wir auch Rentiere, die es sich am Wegesrand gemütlich gemacht haben. Wilde Flüsse und idyllische Brücken begegnen uns. Unterwegs gibt es im Übrigen auch Verpflegung. Es werden Kaffee, Tee, Wasser und Snacks verkauft und Für Mittag- oder Abendessen wird ein Stopp eingelegt. Heute halten wir in Arvidsjaur, wo auch viele Mitreisende aussteigen.
Wir fahren noch ein Stückchen weiter und freuen uns schon auf die Überquerung des Polarkreises. Um kurz vor 8 Uhr abends ist es dann soweit. Da ist er, der nördliche Polarkreis. Wir halten wir für ein paar Fotos an und die spätsommerliche Mitternachtssonne strahlt uns ins Gesicht. Es gibt sogar ein Zertifikat für die Überquerung, die vermutete Eisdusche im Nacken bleibt uns erspart. Nur 10 Minuten später erreichen wir Jokkmokk.





Jokkmokk – Gällivare
Ich habe neulich mal einen Krimi gelesen, der in Jokkmokk spielte. Da war für mich klar, dass ich hier auch einmal übernachten wollte. Überall weht schon die wunderschön bunte Samiflagge, denn die Samen, die nordischen Ureinwohner sind hier in der Region zuhause. Etwas unheimlich ist es hier, denn die Uhr am alten, roten Bahnhofsgebäude läuft rückwärts. Das scheint tatsächlich ein guter Ort für einen Krimi zu sein. Am nächsten Morgen brechen wir zu einer Wanderung auf. Für mich eines der Highlights der Reise, denn endlich sehe ich die Natur nicht nur aus dem Zugfenster, sondern kann sie live erleben. Durch die satten Wälder mit den zahlreichen Blau- und Preiselbeeren am Boden steigen wir hinauf zum Aussichtspunkt. Immer wieder versuchen wir Rentiere oder sogar Elche auszumachen, aber da haben wir leider kein Glück. Nichts desto trotz ist die Umgebung hier wunderschön. Bis auf die unglaublich fiesen Mücken. Also unbedingt Mückenspray mitnehmen.





Am Abend fahren wir dann zu unserer Endstation Gällivare weiter. Die Sonne will gerade untergehen und beschert und unglaublich schöne Momente auf dieser recht kurzen Strecke. Der Zug kann zu Beginn nur 40 km/h fahren aber das stört und nicht, denn der Sonnenuntergang ist wunderschön und begleitet uns bis kurz vor Gällivare. Wir fahren nur wenige Zentimeter an einem Seeufer vorbei und der ganze Zug schaut andächtig raus und genießt die die letzten Kilometer der Strecke. Für mich war dieser Abschnitt aufgrund der einmaligen Kulisse ein krönender Abschluss der Reise. Am nächsten Tag geht es dann am Abend mit dem Nachtzug zurück nach Stockholm.



Wissenswertes zur Inlandsbanan
Wie ich bereits geschrieben habe fährt die Bahn nur in den Sommermonaten. Wenn ihr in den Ferien fahren wollt, solltet ihr euch rechtzeitig um Tickets kümmern, denn die Plätze sind begrenzt. Ich bin mit dem Interrail Ticket gefahren, das von der Inlandsbanan akzeptiert wird. Zur Sicherheit haben wir uns für 5€ einen Sitzplatz reserviert, das wäre aber jetzt, Ende der Saison nicht notwendig gewesen, da die Züge nicht ausgebucht waren. Im Juli und Anfang August wäre das sicher anders gewesen. Alle Infos und auch die Möglichkeiten zur Sitzplatzreservierung findet ihr auf https://res.inlandsbanan.se/en. Hier gibt es auch den Fahrplan mit den angefahrenen Ortschaften und Uhrzeiten.
Ich würde euch empfehlen eurer Unterkunft immer in der Nähe des Hauptbahnhofs zu buchen, damit ihr schnell wieder zum Zug kommen könnt. Die meisten Orte sind auf die Inlandsbanan Gäste eingestellt und man kann in der Regel auch das Gepäck dort lagern, bis der Zug dann fährt.



Der Zug braucht von Kristinehamn bis nach Gällivare zwei volle Tage, ich würde euch aber definitiv empfehlen die Strecke in mehrere Tage zu unterteilen. Meine oben beschriebenen Haltepunkte sind da nur ein Vorschlag. Ihr seid da recht flexibel, je nachdem wie viel Zeit ihr mitbringt. Im Übrigen könnt ihr genauso gut von Norden nach Süden fahren und in Gällivare starten.
Was bleibt
Dieser Zug ist für mich eine einmalige Möglichkeit Schweden und seine Natur kennen zu lernen. Die Überquerung des Polarkreises, die tolle Landschaft und die kleine Bahn selbst sind ein tolles Erlebnis. Die endlosen Landschaften Lapplands sind mir im auf jeden Fall im Gedächtnis geblieben. Zahlreiche Schwedenklischées werden hier erfüllt und wenn ihr auf dieser Reise kein Schwedenfieber bekommt, dann weiß ich auch nicht weiter.

Vielen lieben Dank für deinen Bericht. Ich konnte die Fahrt noch einmal erleben und deine Eindrücke nur bestätigen. Ich habe die Fahrt im Juni von Nord nach Süd gemacht -einmalig! Meine fototografischen Eindrücke findest du bei Instagram @inlandsb._2022
Reiseberichte habe ich bei Facebook in der Gruppe Zugreise Community – Mit der Bahn durch die Welt, eingestellt. Gruß Ulrich
Hallo Ulrich,
ich freue mich, dass der Beitrag Erinnerungen bei dir geweckt hat. Ich schaue sicherlich mal bei deinem Account vorbei.
Viele Grüße
Sarah