Von Werbeversprechen und ob sie wahr sind
Wenn ich „Zürich“ in eine Suchmaschine eingebe, so findet sich relativ weit oben neben Top 10 Sehenswürdigkeiten der Stadt die Info, dass Zürich zu den Städten mit der höchsten Lebensqualität der Welt gehört. Die Stadt in der Schweiz wird auf der Website seines Tourismusverbandes in den höchsten Tönen gelobt und die Komplimente überschlagen sich geradezu. Da ist die Rede von „kosmopolitische[r] Stadt am Wasser“, „kreativem Stadtleben“, „Zürich ist Avant-Garde“ und von „wunderbarer Natur“ (Quelle: www.myswitzerland.com). Für mich ist das ist vielleicht ein bisschen viel des Guten, aber es hat meine Neugier geweckt. Also packe ich den Koffer und mache mich auf den Weg nach Zürich. Ich will herausfinden, ob an diesen Werbebotschaften etwas dran ist. Für ca. 24 Stunden möchte ich mich auch einmal als Teil der Avant-Garde fühlen.
Tag 1: Grüezi Züri
Zürich ist super mit dem Zug zu erreichen und von Frankfurt aus gibt es regelmäßige Direktverbindungen. Am frühen Morgen geht es los in Richtung Schweiz. Nach dem Check-in im Hotel und dem Gang zum Geldautomaten (hier brauchen wir Schweizer Franken) machen wir uns erst einmal auf die Suche nach einem 2. Frühstück.
Weil die Schlange an Babus Bakery & Coffeehouse uns zu lang ist, landen wir letztendlich im Arctic Juice Café. Einen Kaffee, Porridge, ein frisch gepresster Saft und ein Sandwich später beginnt sie also, die Entdeckungstour durch die „kosmopolitische Stadt am Wasser“. Und eins haben wir bereits beim Brunch festgestellt: Eine hohe Lebensqualität gibt es hier definitiv. Bei den horrenden Preisen, mussten wir doch beim Bezahlen leicht haben Schlucken Aber das steht ganz oben auf der Infoliste bei der Reisevorbereitung. Alles ist sehr teuer. Lebensqualität kostet offen sichtlich.
Mittags: Spaziergang durch die Altstadt
Ein bisschen schmunzeln muss ich schon, als wir uns einen ersten Eindruck von der Altstadt verschaffen. Eine so kosmopolitische Stadt, die überall bekannt ist und dann laufen wir durch kleine Gassen mit schmalen, alten Häusern und bunten Fenstern der Augustinergasse. Alles ist noch original erhalten versprüht den Charme eines kleinen Bergdorfs. Immer wieder fährt mein Blick an den kleinen Häusern hoch und ich will die Fassaden mit der Kamera festhalten. So kleinstädtisch hatte ich Zürich nicht erwartet. Doch als wir auf die Bahnhofstrasse einbiegen, tut sich eine andere Welt auf.
Hier sind sie vertreten all die teuren, internationalen Modelabels, Schmuck- und Schokoladenmarken. Die glitzernden Fassaden der großen Kaufhäuser könnten so wohl auch in Paris oder Rom stehen. Nur die historisch klappernde Tram, die sich ihren Weg durch die Haupteinkaufstrasse bahnt, erinnert hier daran, dass wir eben doch noch in der Schweiz sind, wo alles etwas altmodischer ist. Bis zum zentralen Platz der Stadt, dem Paradeplatz, folgen wir der Prachtmeile. Am nächsten Tag erfahren wir, dass der Paradeplatz der teuerste Platz der gesamten Schweiz ist. Danach sieht er eigentlich ganz nicht unbedingt aus. Aber für Diskretion sind die Schweizer ja bekannt (Achtung, Klischee). Denn die Banken, die hier ansässig sind, werden wohl genug Einnahmen für die Miete erwirtschaften.
Wir biegen wieder ab und erreichen den Münsterhof und die Kirche Fraumünster. Sie zählt zu einer der wichtigsten Kirchen der Stadt und beherbergt u.a. ein Kirchenfenster von Marc Chagall. Ein Stück hinter der Kirche dann finden wir sie, die Aussichten und aus den Hochglanzprospekten und Werbebroschüren von Zürich. Im Vordergrund die Limmat, dahinter das Großmünster und die alte Skyline. Im Hintergrund der Zürichsee und die schneebedeckten Alpen. Kaum eine kosmopolitische Stadt hat wohl so eine altbackene Skyline wie Zürich. Aber zugegeben, die Kulisse ist nicht nur einzigartig, sondern auch richtig schön. Wir flanieren etwas am Limmatufer entlang und saugen sie ein, die Züricher Lebensqualität. Denn hier ist sie definitiv zu spüren.
Und weil man von oben in der Regel die beste Sicht hat, laufen wir zum Lindenhof hinaus, der etwas oberhalb des Limmatufers, gegenüber vom Rathaus. Der Lindenhof ist ein bekannter Aussichtspunkt und beliebter Platz für abendliche Sundowner oder Get Together. Bis zum Sonnenuntergang haben wir noch etwas Zeit, aber die Aussicht genießen wir trotzdem schon einmal.
Nachmittags: Flanieren am Zürichsee
Dass Zürich eine Stadt am Wasser ist, lässt sich nicht bestreiten, denn der Zürichsee ist eines der Highlight der Stadt. Und so eine Lage am Wasser ist immer attraktiv, vor allem wenn dann noch die imposanten Alpen im Hintergrund zu sehen sind. Und als wir an der Quaibrücke noch ein paar Fotos machen, staunen wir nicht schlecht, was hier auf den Straßen los ist. Spätestens jetzt wird uns klar, dass Zürich wirklich international ist und einen sehr hohen Lebensstandard hat. Ein Sportwagen nach dem anderen können wir beobachten. Ferrari, Jaguar, Mercedes und einige teure Audis fahren an uns vorbei. Teure SUVs und glitzernde Porsches. So dezent und zurückhaltend die Stadt aussieht, auf der Straßen zeigt sich unweigerlich viel Geld.
Immer am Utoquai entlang schlendern, schnuppern wir noch mehr Seeluft. Die Kugel Eis für 3,50 Franken sparen wir uns und nutzen lieber den kostenlosen Eintritt in den wunderschönen, bunten Chinagarten für eine Pause. Ich muss zugeben, dass auch das Werbeversprechen mit der Natur kann Zürich halten, denn die Umgebung mit Bergen und dem See sind schon eindrucksvoll. Für den Rückweg in die Innenstadt nehmen wir den Bus, denn wir sind schon ganz schön viel gelaufen.
Abendessen im Niederdörfli
Nach einer kurzen Pause im Hotel fahren wir wieder ins Zentrum zurück, um uns auf die Suche nach einem Schweizer Restaurant zu machen. Wir entscheiden uns für das Niederdörfli, wo sich viele Restaurants befinden. Als „Niederdörfli“ wird die andere Limmatseite bezeichnet, an der auch das wunderschöne Großmünster liegt. Ich entscheide mich für ein original Schweizer Käsefondue mit dreierlei Käsesorten. Wenn ich schon einmal in der Schweiz bin, möchte ich wenigstens auch die Schweizer Küche testen. Nach den ganzen Schritten, die wir seit Mittag gelaufen sind, haben wir uns das auch verdient. Und so sitzen wir im rustikalen Walliser Keller, wickeln unseren Käse um das Brot und fühlen uns nicht mehr so international, sondern eher wie in einem kleinen, Schweizer Bergdorf.
Tag 2: Walkingtour mit Kulturprogramm
Nach dem Hotelfrühstück entscheiden wir uns gegen einen Ausflug auf den Uetliberg und für die Walkingtour. Wir haben ja am Vortag schon einiges von der Stadt gesehen, suchen aber noch ein paar Insidertipps und etwas Input zur Stadt. Ich mache gerne Free-Walking Touren, wenn ich in Städten unterwegs bin und in Zürich gibt es auch ein paar Anbieter. Die Tour dauert ca. 2 Stunden und wir erfahren, dass jedem Schweizer ein Bunkerplatz zusteht (in der jetzigen Zeit auch kein schlechtes Gesetz), dass die Stadt zahlreiche kostenlose Brunnen mit Trinkwasserqualität hat und Frauen in der Schweiz erst seit den 70er Jahren wählen dürfen. Ganz so fortschrittlich sind sie dann doch nicht, die Schweizer. Da sind sie wieder diese typischen Gegensätze in Zürich. Eigentlich klein, konservativ und altmodisch, auf der anderen Seite dann wieder internationales Flair und avantgardistischer Anspruch.
Wir laufen noch einmal durchs Zentrum, durchs Niederdörfli, zum Lindenhof und an der Limmat entlang. Uns wird noch die Polyterrasse zwischen ETH und Universität als schöner Aussichtspunkt empfohlen. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen und auf dem Weg dorthin machen wir noch einen Schlenker am Rechberggarten vorbei. Leider blüht hier noch nichts, der Winter hat die Pflanzen noch fest im Griff. Aber im Sommer ist der kleine Garten mit den Stufenterrassen sicherlich richtig schön. Der Tipp mit der Polyterrasse hat nicht zu viel versprochen und wir blicken von dort aus genau auf die andere Seite der Stadt hinab. Das Wetter spielt zum Glück richtig mit und Zürich erstrahlt vor uns in frühlingshafter Manier.
Zum Abschluss noch Schweizer Schokolade
Eigentlich wäre es Zeit für Mittagessen aber uns steht noch der Kopf nach etwas Süßem. Wir sind in der Schweiz, da müssen wir definitiv noch einmal Schokolade probieren. Im Niederdörfli soll es die beste heiße Schokolade der Stadt geben. Einige der Werbeversprechen für Zürich haben wir ja schon überprüft, da müssen wir dieses natürlich auch testen.
Das Café & Conditorei 1842 ist kein Geheimtipp aber eine wunderschöne Zeitreise in die Vergangenheit. Alte Kolonialmöbel, Kellner:innen in Fliegen und Westen und verschnörkelte Tapeten. Die heiße Schokolade ist jetzt keine Offenbarung wenn ich ehrlich bin. Auch wenn sie gut ist, hätte ich doch wahrscheinlich auch woanders eine genauso gute bekommen. Zumindest das Versprechen konnte Zürich nicht halten. Aber zumindest das Flair des Cafés ist ganz zauberhaft.
Unser Zug nach Frankfurt ruft und die Zeit in Zürich geht zu Ende. Auf dem erstaunlich großen Hauptbahnhof lässt es ich noch hervorragend etwas Bummeln und das ein oder andere Stück Schweizer Käse ergattern. Der Tourismusverband hatte nicht zu viel versprochen. Zürich ist wirklich eine besondere Stadt. Die schöne, historische Innenstadt und die Lage am See bieten beste Voraussetzungen für ein angenehmes Leben. Auch wenn Zürich international bekannt ist und hier viel Geld umgeschlagen wird, hat sich die Stadt ihren kleinstädtischen Charakter bewahrt. Weil die Stadt noch original erhalten ist, gibt es viele sehenswerte Ecken. Der hohe Lebensstandard hat buchstäblich seinen Preis, denn Zürich ist kein günstiger Pflaster. Aber für einen Kurzurlaub steckt die Stadt voller Überraschungen und hält auch in der Regel, was sie verspricht.
Hinweis: Die hier erwähnten Cafés und Restaurants habe ich selbst getestet und das Essen selbst bezahlt. Es handelt sich nicht um Werbung, aber um eine Erwähnung bzw. eine Empfehlung aus Überzeugung.
2 Gedanken zu “24 Stunden in Zürich”