Wegfahren oder Weglaufen?

Steckt mehr hinter dem ewigen Drang ständig zu verreisen?

Draußen wurde es frisch an diesem Sommerabend, daher hatten wir uns entschieden drinnen zu sitzen. Die Musik ist etwas zu laut für diese Art von Gesprächen, der Mocktail, der vor mir steht, hat etwas zu viel Eis. Die Umgebung erweckt den Eindruck, als handele es sich um einen gewöhnlichen Afterworkabend unter Freundinnen. Doch die Themen, die wir an diesem Abend anschlagen, klingen mehr nach einer Therapiestunde.

Was tut Dir gut und was tust Du für Dich, damit es Dir besser geht? Tja, das ist bei mir nicht schwer und es reicht ein vielsagender Blick, dass meine Freundin sofort weiß was ich meine. Ganz leicht kann ich den Anflug von verdrehten Augen erkennen. Aber sie kennt mich und weiß, dass das Wegfahren nun mal zu mir gehört wie Max zu Moritz. So wie Susi zu Strolch. Im Laufe dieses Gesprächs, das viel tiefgründiger wird, als eigentlich geplant, stellt sie mir die Frage. Bist Du immer so viel auf Achse, weil es Dir gut tut oder läufst Du nicht eher vor etwas weg? Die Frage löst ein kleines Stechen in meinem Bauch aus und ein wenig ärgert sie mich. Ja, manche Menschen könnten es denken, dass ich vielleicht vor etwas davon laufe. Aber ein wenig irritiert bin ich schon über diese Frage. Das Reisen ist meine Leidenschaft, mein Hobby. Andere Menschen gehen regelmäßig ins Fußballstadion, malen, machen exzessiv Sport oder lesen in ihrer Freizeit. Da fragt doch auch niemand wovor sie davonlaufen.

Dänemark Düne

Den einen erfüllen eben gemeinnützige Aufgaben, den anderen kochen oder gärtnern. Mir gibt das Reisen eben viel. Das Kribbeln im Bauch am Abend bevor es losgeht, die Euphorie nach der Buchung und die Freude bei der Planung. Das alles fühlt sich nicht wie weglaufen an. So oft habe ich schon darüber geschrieben wie viel mir das Reisen gibt. Die Eindrücke, die neuen Dinge, die man lernt, manchmal die Begegnungen mit Fremden und natürlich die Lehren für das Leben (Hier geht es zu einem Blogpost darüber, was das Reisen mit mir macht). Ich denke solange ich noch so viele Glücksgefühle beim Reisen erlebe, kann von weglaufen keine Rede sein.

Es liegt womöglich nah, meine Reisen und den ewigen Drang unterwegs zu sein als “weglaufen” zu interpretieren. Denn Verreisen hat ja mit einer Bewegung zu tun, einer Veränderung meines aktuellen Ortes. Ich fahre von A nach B, um A zu verlassen. Aber unweigerlich muss ich ja irgendwann zurückkehren und somit bin ich nur eine Zeit kang “weggelaufen”. Alles holt mich am Ende wieder ein. Und vielleicht kann ich das wovor ich vielleicht weggelaufen sein könnte, nun besser meistern. Die Reise hat mir neue Energie gegeben oder eine andere Einstellung in mir hervorgerufen. Aber als Flucht vor etwas sehe ich das Wegfahren definitiv nicht.

Ich bin nicht böse über diese Frage, denn sie passt in die tiefgründige Stimmung des Abends und darum lasse ich mich darauf ein. Hinterfrage mich insgeheim selbst. Wovor könnte ich überhaupt weglaufen? Laufe ich weg vor dem Alltag? Vor dem Hamsterrad des Lebens, das uns so oft im Griff hat? In den letzten Jahren musste ich mich leider vielen größeren Herausforderungen stellen und rückblickend kann ich sagen, dass ich sie alle ganz gut gemeistert habe. Bei vielen Dingen hatte ich gar keine Wahl wegzulaufen und sah mich mit der Entscheidung konfrontiert mich den Herausforderungen zu stellen oder nicht.

Alles das hat mich stärker werden lassen. Ich bin an ihnen gewachsen. Natürlich gibt es immer etwas, das ich vor mir her schiebe aber das Reisen hat mir immer neue Kraft gegeben mich den Herausforderungen zu stellen. Bei den einen sind es meiner Meinung nach nur andere Leidenschaften, aus denen sie Kraft schöpfen. Dieser etwas überschwängliche und ein bisschen zu leidenschaftliche Appell über meine Einstellung zum Reisen überzeugt dann auch meine Freundin. Denn auch sie ihre eigenen Leidenschaften und konnte darum nachvollziehen, dass ich meine so verteidige.

Als ich später von der S-Bahn zurück zu meiner Wohnung laufe, merke ich, dass mich unser Gespräch doch irgendwie nicht ganz loslässt. Aber es ist nicht nötig mich rückwirkend selbst zu fragen, ob ich nicht doch vor etwas weglaufe. Manchmal geht man ja nach solchen Gesprächen noch einmal in sich und lässt alles noch einmal durch den Kopf gehen. Aber bei mir besteht kein Zweifel. Etwas, für das ich so viel Leidenschaft empfinde und was mir so viel zurückgibt, kann kein Mittel zum Weglaufen sein.

Verpasse nichts!

Trage dich in meine Email Liste ein und du wirst immer informiert, wenn es etwas Neues zu lesen gibt. So bleibst du immer auf dem Laufenden.

Ich verspreche, du bekommst keinen Spam! Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert