Segelurlaub in Italien machen und gleichzeitig Tiere schützen
Ich habe eine der Mittagsfähren nach Casamicciola genommen. Von Neapel aus dauert die Fahrt in den Norden Ischias ca. eine Stunde. Die Jean Gab,das Schiff, auf dem ich die kommende Woche verbringen werde, liegt in dieser Saison nur wenige Gehminuten vom Fähranleger entfernt vor Anker. Ich werde herzlich von der Crew begrüßt, die gerade beim Mittagessen sitzt. Ich wollte nur mein Gepäck abgeben, denn bis zum offiziellen Teil des „Check-Ins“ sind es noch ein paar Stunden. Aber die Crew ist überaus gastfreundlich und bietet mir direkt noch etwas vom Mittagessen an. Der Tomatensalat ist herrlich. Ganz simpel aber vorzüglich. Das läge an den „vorzüglichen Zutaten direkt von der Insel“. Natürlich legt die Crew, die fast alle auch Inselbewohner Ischias sind, Wert auf die Liebe zu ihrer Heimat.
Bis zum offiziellen Beginn der Reise entscheide ich mich noch dazu das Örtchen Casamicciola zu erkunden. Und natürlich lasse ich mir das Eis der Eisdiele nicht entgehen, welche mir von allen empfohlen wird. Das Zentrum des Ortes ist klein und überschaubar und recht gemütlich. Zwar ist man hier auf Touristen eingestellt, aber überlaufen wie z.B. an der Amalfiküste ist es längst nicht. In den kleinen Nebengassen ist die Zeit ein bisschen stehen geblieben und ich merke wie auch bei mir die Entschleunigung einsetzt. In einer Bar mit Blick auf das Meer und den Strand genieße ich noch einen Drink und die Aussicht, bevor es wieder zum Boot geht.





Das Boot ist ein fast 100-jähriger alter Holzsegler und trägt den Namen „Jean Gab“. Es ist ein echter Hingucker, denn immer wieder bleiben Menschen im Hafen stehen uns machen Bilder. Es ist eigentlich für das Hochseesegeln gebaut, dient heute aber den Forschenden von Oceanomare Delphis als Basis für ihre Delfin- und Walforschung. Mit Hilfe der Volunteers können sie ihre Studien finanzieren und wertvolle Erkenntnisse über die Meeressäuger in dieser Region sammeln. Das in Marseille/ Frankreich gebaute Segelboot ist knapp 18 Meter lang, 4,5 Meter breit und hat eine Tiefe von 2,50 Metern. Insgesamt verfügt die Jean Gab über eine kleine Küche und Schlafplätze für 6 Personen plus Kabinen für den/die Skipper*in. Es gibt nur wenig Privatsphäre und das Leben ist wenig komfortabel, aber dafür sehr familiär.





Zurück an Bord sind mittlerweile alle anderen Volunteers eingetroffen und wir bekommen eine erste Einweisung zum Thema Wale und Delfine. Wo wir in der Regel welche Arten sehen können, woran wir sie erkennen und wie der Ablauf bei einer Sichtung ist. Außerdem erfahren wir mehr über unsere Aufgaben an Bord: Spüldienst, Putzdienst und die Regeln auf dem Schiff. Alle packen während der Woche mit an und es herrscht eine familiäre Stimmung. Am Abend bekommen wir dann den Fisch serviert, den die Crew zufällig am Tag zuvor gefangen hatte. Zusammen mit viel Gemüse, Salat und Brot ist das ein Vorgeschmack auf das richtig gute Essen, das uns die gesamte Woche über serviert wird. Alle sitzen gemeinsam an dem großen Tisch an Deck und tauschen sich zum Kennenlernen aus.
Der nächste Tag verspricht kein gutes Wetter und wir werden morgens informiert, dass wir leider nicht raus fahren können. Innerhalb weniger Minuten verfärbt sich der Himmel fast schwarz und ein Sturm kommt über die Berge in die Buch von Casamicciola gerauscht. Sofort springen alle auf und machen das Boot „wetterfest“. Da ich wenig Ahnung von Booten oder Segeln habe, versuche ich einfach zu helfen, wo ich gebraucht werde. Die Kissen werden rein geholt und unter Deck verstaut und an den Seiten der Decks werden Planen festgemacht. So schnell wie das Unwetter gekommen ist, so schnell verschwindet es auch wieder. Aber nun ist klar, dass wir definitiv nicht raus fahren können. Bei mir macht sich etwas Enttäuschung breit. Bin ich doch hergekommen, um zu Segeln und Delfine oder gar Wale zu sehen. Aber das Wetter lässt sich nun mal nicht ändern.
Zudem gibt es noch ein Problem mit dem Anker, der sich irgendwie im Hafen mit einem anderen verkeilt hat. Das Problem lässt sich nur durch einen Taucher lösen, den wir erst einmal anfordern müssen. Es heißt also warten und die Crew macht uns verschiedene Vorschläge wie wir die Zeit auf der Insel verbringen können. Statt zu Segeln machen wir uns nach der mittäglichen Pasta also auf den Weg zu einer Therme. Am anderen Ende von Casamicciola, ca. eine halbe Stunde Fußmarsch vom Hafen entfernt relaxen wir in Thermalwasser und haben nebenbei noch einen wunderbaren Ausblick auf den Vesuv. Der bestellte Taucher kommt erst kurz vor Sonnenuntergang, kann den verhakten Anker aber lösen und gibt uns grünes Licht zum Segel setzen.



Dann ist es endlich soweit, für heute ist gutes Wetter angesagt. Es gibt frischen Espresso, Obst und als alle Crewmitglieder am Schiff angekommen sind (einige übernachten zuhause auf der Insel), geht es endlich los. Wir verlassen Casamicciola und haben von Fischern einen Tipp bekommen. Sie haben uns eine Stelle genannt, an denen sie Delfine gesehen haben und wir machen uns auf den Weg. Hier hatten die Forscher bisher noch keine Tiere sichten können. Als Ischia sich immer weiter entfernt und wir schon eine Weile auf dem Wasser unterwegs sind, bekommen wir unsere Ferngläser und teilen uns zum „Spotten“ ein. Abwechselnd scannen wir das Meer nach Rückenflossen ab. Zusätzlich werden Unterwassermikrophone, sogenannte Hydrophone ins Wasser gelassen und wir versuchen die Laute der Tiere zu orten.
Gegen Mittag bekommen wir dann endlich die ersten Geräusche auf die Ohren und Ausschläge auf den Bildschirm. Noch sind sie weit weg, können aber an der rechten Seite des Bootes lokalisiert werden. Meine Aufregung steigt und man merkt wie schnell auch die Crew von Entspannung zu Anspannung umgeschaltet hat. Alles läuft ohne viel Kommunikation ab, das Team ist merklich eingespielt. Die Signale sind nun direkt vor uns. Ein Crewmitglied postiert sich an der Spitze des Schiffes und klettert auf das eingerollte Segel. Sie kann etwas erkennen und Skipper Angelo eilt zu ihr. Und dann geht alles schnell. Eine große Gruppe von Delfinen schwimmt plötzlich um das Schiff herum. Forschende und wir Volunteers sind wie elektrisiert, machen Videos, Fotos und versuchen die Tiere zu beobachten. Wir haben eine Drohne an Bord, die nun zum Einsatz kommt und die Delfingruppe gut von oben beobachten kann.






Nachdem die Delfine verschwunden sind, stärken wir uns mit Pasta und machen uns auf den Weg zurück nach Casamicciola. Es beginnt die Auswertung der Bilder und des aufgezeichneten Verhaltens der Delfine. Tatsächlich handelte es sich um eine neue Gruppe, die wir dann damit in den Katalog bzw. die Sammlung aufnehmen konnten. Leider wissen wir da noch nicht, dass es die einzige Delfinsichtung in dieser Woche sein wird.
Eine weitere Nacht auf dem alten Holzboot und am Morgen ein toller Sonnenaufgang über dem Vesuv. Die Morgenstunden sind meine Lieblingsmomente. Noch ist es im Hafen wunderbar ruhig (zumindest nachdem die erste Autofähre um 6 Uhr abgelegt hat) und friedlich und die Stimmung ist richtig schön. Erst nach und nach füllen sich der Hafen und die anderen Boote mit Leben. Die kleine Bialetti sprudelt frischen Espresso in der kleinen Küche und weckt die Lebensgeister auf.
Für heute sind Wellen angesagt. Also verstauen wir alles, was nicht benötigt wird, unter Deck und ich bereite mich mental auf das Schaukeln vor. Nach meinem Whale Watching im Winter im Nordatlantik rund um Island sollte ich einigermaßen seefest sein. Vorsichtshalber greife ich doch zu meinen Reisetabletten. Dafür habe ich sie ja dabei. Unterwegs ist es dann aber weniger schlimm als erwartet, denn Kapitän Alessandro manövriert das Boot sicher durch die Wellen. Leider verziehen sich auch die Wale und Delfine bei dem windigen Wetter in tiefere Gewässer und es bleibt dabei, dass wir nur ab und an ein paar Laute über das Hydrophon orten können. Blicken lässt sich leider niemand. Zumindest ermöglicht uns der Wind endlich mal das Segeln. Der Motor kann ausgeschaltet werden, das Segel wird gehisst. Das Boot gleitet lautlos durch den Golf von Neapel. Ich finde es großartig, auch wenn uns am Nachmittag der Wind wieder im Stich lässt und wir wieder auf den Motor zurückgreifen müssen. Auch wenn wir keine Delfine oder Wale sehen, haben wir doch immer eine tolle Aussicht auf Ischia.





Am nächsten Tag hält uns leider erneut das schlechte Wetter im Hafen, Rausfahren ist abgesagt. Für Mittags sind Gewitter und Regen angesagt. Und damit sinkt auch die Chance noch einmal Meeressäuger zu sehen. Nach dem morgendlichen Espresso packen wir Volunteers daher unsere Sachen und entscheiden uns das Beste aus der Situation zu machen. Da wir eine ganze Reihe Ischia Expert:innen an Bord haben, werden wir mit Tipps versorgt, was auf Ischia sehenswert ist und was sich bei dem angesagten Unwetter trotzdem lohnt. Für den Süden ist besseres Wetter angesagt, daher setzen wir uns in den Linienbus und fahren nach Sant Angelo. Unterwegs geraten wir tatsächlich in ein schlimmes Gewitter und sind froh im Bus zu sitzen, als das Wasser Zentimeter hoch auf der Straße steht. In Sant Angelo ist dann tatsächlich besseres Wetter und wir sehen uns in dem kleinen Örtchen um. Wir finden eine kleine, authentische Pizzeria und haben einen Glücksgriff getan. Die Auswahl ist ungewöhnlich lokal, die Zutaten frisch und die Preise im Vergleich zu vielen anderen Läden in dem Ort keine Abzocke. Nach einem kurzen Abstecher an den Strand steigen wir wieder in den Bus und entscheiden uns spontan noch einer Strandbar in Forio einen Besuch abzustatten, wo ein weiterer Gewitterschauer uns zu einem längeren Aufenthalt zwingt. Zurück in Casamicciola zeigt sich das Wetter versöhnlich und die Crew verwöhnt uns wieder mit leckerem Essen.



Langsam neigt sich die Woche dem Ende zu und wir bekommen noch einmal schönes Wetter, also legen wir endlich wieder ab und lassen den Hafen hinter uns. Wir segeln in Richtung Capri und bekommen unterwegs wieder tolle Ausblicke auf die Küste Ischias. Als wir das beeindruckende Castello Aragonese passieren, greifen wir wieder zu den Ferngläsern und hoffen Rückenflossen zu sehen. Aber das Meer bleibt ruhig und auch am Hydrophone bleibt es stumm. Wir genießen unsere Pasta, während wir zwischen Ischia, Capri und Neapel mitten im Golf darauf warten, dass sich doch noch etwas tut. Statt an der Wasseroberfläche tut sich etwas am Himmel. Gerade als einige der Volunteers den Sprung ins Meer gewagt haben und eine Runde schwimmen, braut sich leider erneut ein Unwetter über Ischia zusammen. Da Unwetter und Boote sich nicht so gut verstehen, verstauen wir wieder alles unter Deck und auch wir verziehen uns in die Küche. Nur Kapitän Alessandro und Skipper Angelo bleiben am Steuer und fahren uns schnellstmöglich in ihren Regenjacken zurück nach Casamicciola. Leider meint es das Wetter nicht besonders gut in dieser Woche.




Erleichtert, dass wir sicher den Hafen erreicht haben, werde ich mir bewusst, dass dieses Erlebnis nun fast zu Ende ist. Beim letzten gemeinsamen Abendessen, bei dem wir mit Risotto, Caprese Salat und mariniertem Gemüse verwöhnt werden, lasse ich den Blick noch einmal über den beleuchteten Hafen schweifen. Die Crew ist mir in dieser Woche ein wenig ans Herz gewachsen und ich bewundere ihren Einsatz für Wale und Delfine in dieser touristischen Region, in der es wahrlich reichlich Boote und Yachten gibt, die den Orientierungssinn der Säuger (vermutlich) beeinflussen. Am nächsten Morgen heißt es dann Putzen, Aufräumen und Packen. Gemeinsam mit Teilen der Crew beseitigen wir unsere Spuren und bereiten alles für die nächsten Freiwilligen vor. Gemeinsam lassen wir bei einer letzten Mittagspasta (es gibt vorzügliche Gnocchi a la Sorrentina) die Woche ausklingen, bevor jeder seine Reise in unterschiedlichen Richtungen fortsetzt. Auf mich wartet die Fähre nach Neapel und noch ein paar Tage Festland, bevor es wieder nach Frankfurt zurück geht.
Hinweis: Wenn ihr auch Lust auf eine Woche Segeln habt, und dabei noch Forschende unterstützen und Delfine und Wale schützen wollt, wendet euch am besten direkt an Oceanomare Delphis (unbezahlte Werbung, Herzensempfehlung). Mit eurer Teilnahme helft ihr die Forschung zu finanzieren, könnt knapp eine Woche lang auf einem historischen Segelschiff verbringen und mehr über die Meeressäuger rund um Ischia lernen.

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